Iwaihime ist eine Visual Novel vom bekannten Autoren Ryukishi07, den man wohl vor allem durch Higurashi no naku koro ni und Umineko no naku koro ni kennen dürfte. Ursprünglich erschien das Spiel für PC auf DMM.com, dann gab es einen erweiterten Port für PS4 und PS Vita namens Matsuri.

Als populäres DMM-Spiel war es wohl nur eine Frage Zeit bis Shiravune auch diese Visual Novel in den Westen bringt. Die nun auf Steam erscheinende Version packt den exklusiven Konsoleninhalt wieder zurück in eine PC-Version und macht so die von Ryukishi07 selbst bevorzugte erweiterte Fassung zum erstem Mal erhältlich für Masterrace-Gamer.

Nein, falsches Spiel! Es geht hier um Iwaihime!

Story

Die Susuharas haben eine lange Tradition, die besagt, dass die Söhne der Familie, wenn sie alt genug sind, in die Welt hinausgehen müssen, um sich dort auf sich allein gestellt zu beweisen. Diese Zeit ist nun für Suzumu gekommen. Mit einem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit, den er durch das jahrelange Training im Dojo seines Vaters erlangt hat, zieht er aus, um die nächste Zeit über bei seiner entfernte Cousine Tsubakiko in Susuda zu leben und dort die Schule zu besuchen.

Er findet sehr schnell Freunde, schließt sich dem LCSC-Klub an, dessen Aufgabe es ist, ehrenamtliche Tätigkeiten in der Stadt auszuführen, und genießt ein ruhiges und glückliches Leben.

Doch da ist dieses Mädchen in seiner Klasse: Toe Kurokami. Sie redet nicht mit ihren Klassenkameraden, nimmt selten am Unterricht teil und wenn sie da ist, sitzt sie nur beweglos an ihrem Platz und schaut aus dem Fenster. Und ohne Ausnahme hat sie immer ihre japanische Puppe in den Armen, die genau so ausdruckslos schaut, wie sie selbst. Die Lehrer scheinen sie zu ignorieren und die Schüler erzählen sich bösartige Gerüchte über sie. Und sogar Tsubakiko warnt Suzumu sich bloß von ihr fernzuhalten.

Aber Suzumu kann nicht aufhören ständig an sie zu denken. Warum ist er so fasziniert von ihr? Ist es Schicksal, was die beiden unausweichlich zusammenbringen will?

Okay, ein Schwarzhaarfetisch könnte auch der Grund sein.

Nein, eher ein Fluch. Iwaihime ist ein zutiefst japanisches Horrorspiel, das mit all den beliebten Elementen aufwartet, die man in einer asiatischen Gruselgeschichte erwartet; Flüche, Geister, Monster, Visionen und eine elaborierte Hintergrundgeschichte, die mehrere Generation übergreift.

Leider – und das ist auch etwas, das man zu oft bei japanischen Horrorgeschichten sieht – kommt die Erzählung dieser sehr modular und vorhersehbar daher.

Ich bin der Deus Ex Machina, der hier ist, um deine interessante Charakterstudie mit einem Schlag zu einem unbefriedigenden Abschluss zu bringen .. wie die letzten sechs Kapitel bereits!

Jedes Kapitel ist einer der vier Heldinnen gewidmet, was bereits durch die eindeutige Bezeichnung des Kapitels klar wird. Jedes Kapitel hat genau den gleichen Aufbau; kleine Einführung des Mädchens und ihres Problems, Ausartung des Problems und die Auflösung dieses Konflikts. Das ist klassische Dramaturgie, aber wenn man diese achtmal direkt hintereinander erlebt, wird man sich dieses Schemas allzu direkt bewusst. Und wie bei Ryukishi07 so üblich, gibt es für jedes Mädchen zwei Kapitel; eines, das das Problem zeigt, aber nicht bewältigen kann, und eines, wo es positiver ausgeht – exakt wie in Higurashi. Aber anders als bei Ryukishi07s Doujin-Werken versucht Iwaihime niemals die Erwartungen des Spielers zu unterwandern. Während Ryukishi07 in all seinen bisherigen Geschichten bewusst mit einem vorhersehbaren Ablauf arbeitet, um diesen dann an den wichtigen Stellen zu subvertieren, hält Iwaihime unironisch an der klassischen Dramaturgiekurve fest – Kapitel für Kapitel, bis zum Ende. Und da Iwaihime wie Ryukishi07s andere Geschichten eine Kinetic Novel ohne die Möglichkeit für Spielerinput oder Aufgabelungen des Handlungsverlauf ist, wirkt es schon fast komödiantisch, wie die Charaktere immer wieder aufs Neue von den immergleichen Routinen heimgesucht werden, ohne die Deja Vus bewusst zu bemerken.

Sie sagt hier eindeutig, dass dies eine Kinetic Novel ist und du keinerlei Möglichkeiten hast, die Geschichte zu beeinflussen. Und das stimmt.

Charaktere

Das ist sehr schade, denn die Charaktere und ihre Problemchen und Psychosen haben durchaus Potential. Da haben wir eine Kindheitsfreundin, die ihre Vergangenheit nicht loslassen kann, eine Mitschülerin, die vor ihren familären Problem weglaufen möchte und ein Idol, das mit ihrem fortschreitenden Alter Opfer des japanischen Jugendwahns wird. Wie für Ryukishi07 üblich, illustriert er diese realweltlichen Probleme mit Horrormetaphern, die dann in Horrorszenen erkundet und verarbeitet werden. Das funktioniert auch recht gut. Ryukishi07 ist ein Meister, wenn es darum geht, normalen Slice of Life langsam und doch unerwartet in ein Horrorszenario zu verwandeln. Auch lässt sein Horrorwriting in diesem Aspekt nicht nach; wie zu erwarten gehen seine detaillierten Beschreibungen von Body Horror oder psychologischen Traumata unter die Haut.

Das bekommt der Leser schon direkt nach dem Spielstart zu spüren, wenn in aller Ausführlichkeit und mit Genuss von den Vorzügen von Selbstmord philosophiert wird und der Spieler durch die audiovisuelle Präsentation wortwörtlich in den Bann gezogen wird, bis das Spiel ihn, sowie den Charakter, glücklicherweise wieder loslässt.

Kleine Animationen wie hier der Tentakel sind äußerst effektiv dabei, die Horrorwirkung zu verstärken.

Leider bleibt es nicht lange so immersiv.

Es ist nicht so als würde Ryukishi07s Writing schlechter werden oder die Horrorszenen an Ausdrucks verlieren. Es ist die bereits erwähnte Monotonie, die sich schnell bemerkbar macht, und dem Leser die Spannung raubt. Denn warum sollte der Leser mitfiebern müssen, wenn der klar durchstrukturierte und sich immer wieder wiederholende Kapitelablauf doch von Anfang an vorgibt, welche Charakter zu welcher Zeit welche Horrorszene erleben und ob diese gut oder böse ausgehen muss?

Jede Szene in Iwaihime ist sehr gut, wenn man sie für sich nimmt. Die Charaktere und ihre Eigenarten sind interessant und der Horror ist gut geschrieben.
Aber wenn man aufhört, die Szenen einzeln zu betrachten und Iwaihime als komplettes Werk betrachten, bietet sich uns eine extrem vorhersehbare und emotional distanzierte Visual Novel und sicherlich Ryukishi07s ambitionslosestes Werk bisher.

Ob Iwaihime etwas für dich, lieber Leser, ist, lässt sich ganz einfach dadurch sagen, wie du Geschichten, egal ob Visual Novels oder Anime oder anderes Entertainment konsumierst:
Bist du ein Empath, der sich in jede Szene komplett hineinversetzt und den Moment durchlebt, den die Charaktere auch erleben, ohne über den Kontext oder die Rahmenhandlung nachzudenken? Dann wird Iwaihime dir viele Höhepunkte bieten und konstante Unterhaltung, Romantik und Schrecken liefern.
Oder bist du eher ein Kritiker, der sich distanziert das komplette Werk ansieht, über Storystruktur und Charakterentwicklung nachdenkt und die plotübergreifende Aussage und Intention sucht? Dann wird dir Iwaihime auch einen Horror liefern, nur nicht den, den du dir erwünschst hattest.

Ja, Waifus gibt es. Dir kann ich Iwaihime uneingeschränkt empfehlen.

Fast schon wie ein I-Tüpfelchen schaut da der Protagonist Suzumu aus, der sicherlich einer der generischsten und charakterlosesten Protagonisten ist, die je für eine Visual Novel erschaffen wurden. Das bedeutet nicht, dass er keine Persönlichkeit hätte. Er hat sogar eine sehr starke Persönlichkeit. Nur ist diese an Langweiligkeit kaum zu übertreffen, denn er ist eine perfekte Realisierung des rechtschaffen-guten Charakterstereotypen. So sehr sogar, dass er bereits wie ein Karikatur wirkt, besonders dann, wenn seine „nett zu jedem sein“-Haltung in eine unausweichliche Harem-Story mündet.

Der Spieler kann sich sicher sein, dass jedes Mal, wenn Suzumu den Anschein macht, als würde mehr in ihm stecken als ein simpler Gutmensch, dies nur eine Illusion ist. Der Twist ist, dass er doch langweilig ist.

So eine ähnliche Konstellation hatten wir bereits bei anderen Ryukishi07-Novels gesehen (Keiichi aus Higurashi oder Battler aus Umineko), aber dort wurde dieser Charaktertyp dann durch die Story geschickt dekonstruiert und die negativen Konsequenzen dieser Seiten seiner Persönlichkeit gezeigt. Iwaihime, obwohl Ryukishi07 abermals bewiesen hatte, dass er sich den Charakterschwächen eines Gutmenschen bewusst ist, stellt Suzumu hier ohne jegliche Ironie oder Selbstreflektion dar. Wenn dies am Ende der Charakterkapitel dazu führt, dass er wortwörtlich Jesus wird und als ein Deus Ex Machina die Mädchen von ihren heimsuchenden Alpträumen befreit, die daraufhin mit einer Selbstverständlich seinem Harem beitreten, die sogar innerhalb der Story damit begründet wird, dass Suzumu unwiderstehliche Pheromone hat und die pubertären Mädchen diesen deswegen hoffnungslos unterworfen sind, dann fehlt mir nicht nur jegliche emotionale Resonanz zu dem gerade Gezeigten, sondern ich muss mich fragen, ob Salthe letzten Monat von Iwaihime sprach, als sie anmerkte, dass die Geschichte eine Komödie ist, die als Farce endet.

Der einzige Moment des Spiels, wo man als Leser etwas entscheiden kann. Aber entscheiden tut man nur die Reihenfolge, in der man die Charakterkapitel liest. Einfluss auf das Ende der Geschichte hat dies nicht. Dies ist ein Harem-Spiel, es gibt keine Charakterendings.

Audiovisuelles

Der Vergleich mit anderen 07th Expansion-Spielen lässt Iwaihime auch beim Ton schwächlich erscheinen. Der Soundtrack ist nicht schlecht, aber kaum mehr als passende Untermalung der Szenen und wird sich sicherlich nicht ins Gedächtnis des Spielers einbrennen. Die Vertonung der Charaktere, die übrigens komplett ist und keinen Charakter auslässt, ist adäquat, aber ohne Höhepunkte – wie so oft bei All-Ages-Spielen, die sich professioneller Seiyuu bedienen, die ihre Stimmen schonen und in anspruchsvollen Momenten nicht die ganze Reichweite ihres Stimmumfangs ausreizen wollen.

Die Sprecherin liest die Zeile genau so cringy vor, wie die englische Übersetzung es vermuten lässt.

Natürlich macht sich beim Vergleich mit anderen Werken von Ryukishi07 auch gleich bemerkbar, wo Iwaihimes größte Stärke liegt: die Grafik.
Kazuharu Kinas Artworks sind sehr hübsch anzusehen. Zarte Konturen, feine Colorierung und kleine Details machen das Charakterdesign und die CGs zu einer Augenweide. Zudem wird auch versucht Ryukishi07s Charme gerecht zu werden, indem einige lustige und trollige Derpfaces darauf warten, den Spieler in besonderen Situationen zu überraschen.

Derp.

Jedoch bestärkt Iwaihimes Artdesign auch das alte Vorurteil, dass eine schöne Optik ein Zeichen von Oberflächlichkeit ist. Mehrere Male beim Spielen hatte ich das Gefühl, dass die CGs, und vor allem die Art und Weise, wie diese konstruiert und in das Spiel implementiert wurden, der Atmosphäre und der Immersion schädlich waren.

Geschickt werden die Bilder so komponiert, dass die Horrorelemente nur angedeutet und zum Großteil außerhalb des Sichtbaren bleiben.

Zum Beispiel gab es eine Szene, in der der Körper eines Mädchens aufgrund des Fluchs entstellt wurde. Der Leser bekommt eine detaillierte Beschreibung, wie widerlich ihr Körper nun aussieht, voller Beulen und Geschwüren.
Dann erscheint das CG auf dem Bildschirm und … sie sieht hübsch aus wie immer.

Hrm, okay.

Bedeutet das, dass sie sich den Verfall ihres Körpers nur einbildet? Will das CG uns die „Realität“ zeigen, während sie, der „unreliable Narrator“, uns eine Wahnvorstellung beschreibt?
Doch dann erscheint eine weitere Person in der Szene, die bestätigt, was sie sagt, und ebenfalls ihren entstellten Körper sieht.

Hrm, okay.

Ich schätze, dann ist dieser Charakter wohl auch vom Fluch betroffen und es ist nicht nur die Einbildung von ihr. Ich schätze, der Fluch zeigt dann kollektive Illusionen.
Die Szene geht weiter und endet damit, dass der Körper des Mädchens explodiert und nur Blut und Innereien zurücklässt. Wir sehen zwar das niedliche CG nicht mehr, aber nun ein Background-Image des Raums, blutverschmiert.

Warte, Moment.

Ihr Körper war also doch krank und ist gerade explodiert? Das muss ja passiert sein, wir „sehen“ es ja und wir haben ja eben etabliert, dass die Grafik uns die „Realität“ zeigt.

Nein, Moment.

Im letzten Kapitel erst haben wir die gesamte Wahnvorstellung durch CGs illustriert bekommen, mit all den fantastischen Elementen. Und auch jetzt sehen wir Blut überall. Aber, wir hatten doch den entstellten Körper gar nicht gesehen? Bedeutet das, dass ihr Körper explodiert ist, obwohl sie gar keine pochenden Geschwülste hatte, die dafür verantwortlich waren?

Das macht doch alles gar keinen Sinn!
Was ist denn jetzt Realität und was ist Wahn?

Ich wünschte, das hätte ich in einem CG sehen können.

Die einzige Antwort, die ich auf diese Fragen habe, ist, dass die Grafiken nie den Anspruch hatten, uns irgendwie bei der Analyse der Story zu helfen. Stattdessen, so scheint es mir die einzige Erklärung für den sonderlichen Einsatz von CGs zu sein, ist der alleinige Anspruch, den die Bilder haben, niedlich und hübsch auszusehen. Wir sehen den Horror auf den CGs, aber nur solange er cool und niedlich ausschaut.
Doch sobald es zu grotesk wird, bekommen wir heftige Diskrepanzen zwischen der Beschreibung im Text und was wir auf dem Bildschirm visuell dargeboten bekommen.

Das ist eine Schande. Was ist der Sinn hinter hübschen CGs, wenn sie nicht dazu benutzt werden, den Text zu untermalen? Und nicht nur das; Iwaihimes CGs schaffen es, nicht nur nicht den Text zu untermalen, sie widersprechen dem Text auch noch und reißen damit den Spieler aus den Horrorszenen heraus, die er sich gerade in seiner Fantasie vorstellen wollte!

Ich wünschte ebenso, ihr würdet das nicht nur beschreiben, sondern ich könnte das auch sehen!

Iwaihime gewinnt nichts durch die hübschen Bilder, es verliert nur damit.
Da ist es recht verschmerzbar, dass, wie so oft in modernen Visual Novels, der Großteil der CGs ohnehin für Fanservice draufgeht.

DLC

Fairerweise muss gesagt werden, dass dieses Manko beim Bonus-Kapitel Musubihime nicht vorhanden ist. Dieses Kapitel, welches für die Konsolenversion des Spiels kreiert worden ist, und nun dank Shiravune zurück in die PC-Version portiert wurde, behebt einige der Kritikpunkte, die ich aufgelistet habe.

Nicht nur sind die CGs nun blutig und zeigen den Horror direkt und unverblümt, auch ist die Geschichte wesentlich raffinierter erzählt, und der Protagonist bleibt glücklicherweise für den größten Teil der Geschichte weg. Schade ist nur, dass dieses Kapitel erst freigeschaltet wird, nachdem man bereits das Hauptspiel durchgespielt hat. Es hätte mir besser gefallen, wenn ich es hätte lesen dürfen, solange ich noch emotional involviert in der Geschichte gewesen bin, also bevor ich diese abschließe. In die Welt von Iwaihime zurückzukehren, nur um eine Sidestory zu lesen, die keinen Einfluss auf den Verlauf der Haupthandlung hat, ist weitaus weniger spannend.

Allerdings bietet Musubihime einiges an neue Gedankenspiele und wer Interesse hat, die Story von Iwaihime bis ins kleinste Detail auseinanderzunehmen, wird hier sehr viele neue Aspekte gewinnen, die dabei helfen können oder bisherige Interpretationen umwerfen.

Leider ist es etwas teuer und muss als DLC zusätzlich zum Hauptspiel gekauft werden. Wer für diese Entscheidung noch etwas Hilfe benötigt, kann meinen Kommentar dazu im Steamforum lesen.

Erst nachdem man das Spiel bereits beendet hat, werden einem Szenen geboten, wo man endlich mal etwas zu sehen bekommt.

Lokalisation

Shiravune hat nicht nur eine vollständige Version des Spiels für PC erschaffen, sondern ebenso eine englische und chinesische Übersetzung. Die englische Übersetzung wurde von der ehemaligen Fantranslation-Gruppe und nun professionelles Lokalisationsstudio Lemnisca gemacht.

Die Übersetzungsqualität ist solide und besonderen Wert wurde auf die Details der Story gelegt. Lemnisca ist bekannt dafür, dass sie besonders in der Story komplexe Visual Novels übersetzen und das ist wohl einer der Gründe, dass hier besonders sorgfältig umgegangen wurde, um ja keine Nuancen oder Hinweise, die dem Leser helfen, die Welt von Iwaihime besser zu verstehen, zu übersehen.

Bin ich der einzige, der es seltsam findet, dass ein Charakter wie selbstverständlich Rokugamihiko-no-Mikoto genannt wird, aber gleichzeitig der Name Toé ein Akzent auf dem e bekommen hat, weil der Leser mit dem japanischen Namen Toe überfordert sein könnte?

Allerdings finde ich ein paar Übersetzungsentscheidungen, wenn auch nicht objektiv falsch, etwas zweifelhaft. Beispielsweise erscheint mir die übermäßige Lokalisation japanischer Namen, Redewendungen und Begriff unnötig bei einer Story zu sein, die so tief in japanischer Folklore steckt.
Shiravunes interne Übersetzungen von Salthe und Eden’s Ritter haben mir in der Hinsicht mehr zugesagt und das Verhältnis zwischen Lokalisation, Originalnähe und Lesbarkeit besser ausgelotet.

Qualitätsenglisch

Technik

Die Engine von Iwaihime ist allerdings sehr enttäuschend.
Die Features, die Iwaihime hier bietet, erinnern an Konsolen-VNs und lassen stark zu wünschen übrig, wenn man das Lesen von Eroge am PC gewöhnt ist.

Die Statusseite kann besucht werden, sobald man das Spiel durchgespielt hat. Da Iwaihime eine Kinetic Novel ist, wird sie hier immer 100% anzeigen, es sei denn man hat den DLC installiert, dann sieht man folgende Prozente. Sinnloses Feature, das hilfreich gewesen wäre, hätte man es während des Lesens bereits gehabt.

Was mich am meisten störte, war, dass es keinen Option gibt, das Stoppen von Voiceclips bei Weiterklicken des Textes zu deaktivieren.

Schlimmer aber noch ist, dass, obwohl die Features der Engine so rudimentär sind, wie man sie sonst nur von Konsolen kennt, diese PC-Version keinerlei Controllersupport hat. Da ich Iwaihime an meinem Heimkino-System vom Sofa aus spielen wollte, musste ich erst manuell bei Steam alle Tastaturbefehle auf meinen Controller mappen. Das funktioniert zwar zum größten Teil, allerdings gibt es einige Buttons, die nicht über die Tastatur erreichbar sind – hier musste ich zusätzlich noch eine Maus mit dem Analogstick emulieren, um zum Beispiel in der Backlog auf den Button für Voice-Repeat klicken zu können. Zudem startet der Vollbildmodus des Programms nur auf dem ersten Monitor, egal auf welchem Monitor sich das Fenster befindet und man kann dies auch nicht ändern. Das führte dazu, dass ich jedes Mal, wenn ich das Spiel in Vollbild auf meinem Fernseher spielen wollte (sekundärer Monitor in meinem Setup), ich meinen primären Monitor hart entfernen musste.

In Current Year ist so eine schludrige Programmierung absolut inakzeptabel und selbst billige Nukige achten in der Hinsicht mehr auf die User-Experience als es diese professionelle, high profile Visual Novel tut. Das ist schon peinlich.

Wenn du Iwaihime mit einem Gamepad spielen willst, musst du all diese Tastenbefehle zunächst auf diesen mappen.

Fazit

Iwaihime ist das Visual Novel-Äquivalent zu einem Tripel-A-Videospiel: Es sieht gut aus und jedes Element ist so designt, dass es eine möglichst große Gruppe des Mainstreampublikums anspricht – und bleibt dabei komplett seelenlos.

Der Vergleich mit Ryukishi07s anderen Spielen muss zwangweise gemacht werden, wird doch Iwaihime an jeder Stelle als VN des Autors der When They Cry-Serie beworben. Dabei kann Iwaihime bei dem Vergleich nur verlieren. Zwar scheint es auf dem ersten Blick, wie eine hübschere Version von Higurashi auszusehen, doch fällt dem erfahrenen Leser sehr schnell auf, dass es die Raffinesse und Subversion bekannter Horror-Tropes komplett vermissen lässt. Stattdessen bekommen wir eine typische japanische Gruselgeschichte präsentiert, dessen Potential durch den belanglosen Protagonisten und die Degradierung der eigentlich interessanten Heldinnen zu willenlosen Trophywaifus für seinen Harem und unseren Fanservice im Keim erstickt wird. Schade.

Warum gibt es All-Ages-VNs, wenn sie dann nur Eroge mit schmutzigen Metaphern sind?

Aber das passiert, wenn sich ein Spiel mit dem besten Exemplar des Genres messen muss. Anders sieht die Sache aus, wenn wir Iwaihime mit den restlichen Genrevertretern vergleichen. Da schneidet es nämlich äußerst gut ab.
Ryukishi07s Doujin-Writing wird zwar durch das bescheuerte AAA-Konzept (viel Fanservice, Harem, bloß nicht zu extrem sein) gehemmt, ist aber für sich gesehen immer noch sehr gut und effektiv. Und wenn man das verschenkte Potenzial ignoriert, liefert Iwaihime immer noch solides Grusel-Entertainment ab.

Iwaihime ist die bei weitem schlechteste Ryukishi07-VN. Aber selbst die schlechteste Ryukishi07-VN ist immer noch besser als das Meiste, was der englische Horror-VN-Markt zu bieten hat.
Wer bereits alle guten 07th Expansion-Spiele gelesen hat, kann zu Iwaihime greifen, wenn er seine Erwartungen etwas zurückstellt. Wer noch nie eine Novel von Ryukishi07 gelesen hat, der findet mit Iwaihime einen guten Einstieg, bevor er sich an die großen Epen der When They Cry-Reihe versucht.

Tyr

Tyr hat sich einen Namen in der internationalen VN-Szene als Redner, Journalist und Übersetzer gemacht.

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