Das Königreich Lescardia war ein friedvolles und wohlhabendes Land bis der Hofmagier Crocell aus unerfindlichen Gründen den König verflucht und danach sich selbst umgebracht hat.
Nicht nur litt die Regierung des Landes darunter, dass ihr König nun durch den Fluch krank und nicht mehr imstande war, das Reich zu leiten, auch tauchte urplötzlich ein gigantischer, unterirdischer Kerker in der Nähe der Hauptstadt auf. Abenteurer, Kriminelle und andere lebensmüde Gestalten stiegen hinab, um Reichtümer zu finden, doch die meisten fanden den Tod, denn die folglich Abyss genannte Höhle beherbergte die gefährlichsten Monster. Aus Angst, sie könnten ihr Versteck verlassen und die Menschen auf der Oberfläche angreifen, wurden Lescardias Ritter in den Abyss geschickt, um ein womögliches Vordringen der Monster zu verhindern. Doch nicht nur Monster und Reichtümer konnten im Abyss gefunden werden, auch merkwürdige Hinweise auf dunkle Magie, seltsame Dämonen und andere unnatürliche Elemente, die in dem mehrstöckigen Dungeon ihren Ursprung haben, wurden entdeckt.
Hat der Abyss etwas mit dem Fluch zu tun, der auf dem König lastet? Schließlich tauchte dieser auf, nachdem Crocell seine dunkle Magie auf den Regenten wirkte. Und vielleicht lässt sich dann auch etwas in den Verliesen finden, was den Fluch vom König lösen könnte.
So dachte sich das seine Tochter Olivia, Prinzess von Lescardia. Zusammen mit ihrer treuen Leibwache, dem Katzenninjamädchen Hinagiku, stiehlt sie sich aus den sicheren Wänden des Schlosses und machte sich auf in die Hauptstadt, um dort Vorräte und vielleicht auch Begleiter für ihre große Aufgabe zu finden: den Abyss zu erkunden und dort ein Gegenmittel zu entdecken, um den Fluch von ihrem Vater nehmen zu können!
Explorers of the Abyss ist das neuste Spiel, das vom bekannten Publisher für Hentai-Spiele Kagura Games lokalisiert worden ist. Angekündigt wurde es bereits vor anderthalb Jahren, doch hat es seine Zeit gedauert, bis wir es endlich in vollständig übersetzter Form spielen konnten.
Grund dafür könnte sein, wie komplex und inhaltsreich es im Vergleich zu anderen H-RPGs ist. Flying Panjandrum ist ein erfolgreicher Doujin-Zirkel, der bereits eine große Anzahl an Spielen auf DL-Site veröffentlicht hat. Interessant dabei ist, dass eine ganze Menge davon komplett ohne Hentai-Inhalte auskommen. Das Gameplay ist für Flying Panjandrum nämlich das Wichtigste und dies muss an dieser Stelle auch betont werden. Im Bereich der Doujin-HRPGs werden nur allzu oft die Spielmechaniken eines Rollenspiels als oberflächliches Beiwerk benutzt, um zu kaschieren, worum es sich in Wirklichkeit handelt: ein Nukige, dessen Gameplayelemente nur als Fillermaterial zwischen dem eigentlichen Content dienen soll. Und das ist nicht unbedingt in allen Fällen etwas Negatives. Was allerdings negativ ist, ist die damit einhergehende Annahme, dass Hentai-RPGs, was das Gameplay angeht, eher nur einen Mindestanspruch bedienen würden. Gerade weil das bei vielen Doujin-HRPGs auch genau so ist, muss in diesem Fall explizit gesagt werden: Explorers of the Abyss ist ein vollwertiger Dungeon Crawler!
Flying Panjandrum hat eine Menge Zeit investiert, jeden Aspekt eines Dungeon Crawlers in ihrem Spiel perfekt abzustimmen und zu einem essenziellen Teil des Spielerlebnisses zu machen.
Die Party von Olivia wird dem Spieler vorgegeben, aber dabei wurde darauf geachtet, dass jeder Charakter einzigartig ist und sich unterschiedlich spielt. Olivia ist eine Kämpferin, die schwere Waffen benutzt, robuste Rüstung trägt und über viel Lebenskraft verfügt. Ihre Leibwache Hinagiku ist eine Mischung aus Shinobi und Samurai, kann etwas zaubern und sogar mit zwei Kurzschwertern gleichzeitig angreifen. Elfenpriesterin Fau ist für die Heilung zuständig und kann, wie die Diebin Rosche, nur sehr leichte Rüstung tragen, aber zur Not mit einer Stabwaffe auch zuschlagen, sollten die magischen Sprüche ausgegangen sein. Rosche ist sogar noch verletzbarer als Fau, hat dafür aber einen so hohen Geschicklichkeitswert, dass sie den meisten Angriffen ausweichen kann und dabei schnell und oftmals kritisch austeilt.
Neben den HP gibt es VP, Valor-Punkte, die abnehmen, wenn die HP auf 0 gesenkt wurden. Sind alle VP aufgebraucht, ist der Charakter endgültig kampfunfähig und kann erst wieder nach einer Nachtruhe aufgeweckt werden. VP haben einen enorm hohen Einfluss darauf, wie ein Kampf am besten angegangen werden sollte. Zum Beispiel hat Olivia bei weitem mehr VP als ihre Kampfgenossen, weswegen es durchaus akzeptabel ist, ihre verloren HP nicht sofort aufzufüllen und stattdessen lieber den Fokus darauf zu legen, den Kampf so schnell wie möglich abzuschließen. Rosche hingegen hat fast gar keine und bereits zwei gute Treffer, könnte sie für den Rest der Dungeon-Exkursion untauglich machen. Natürlich sind VP auch wesentlich schwerer zu heilen als HP und ein VP-Mangel hat auch Einfluss auf die Kampfbereitschaft der Truppe.
Zwar haben Charaktere HP und VP, MP haben sie allerdings nicht. Stattdessen kann jeder gelernte Zauber während eines Dungeonsbesuchs eine bestimmte Anzahl oft gewirkt werden, bevor der Charakter sich erstmal zur Ruhe begeben muss, um die Zähler wieder zu regenerieren. Andere Skills kann man beliebig oft einsetzen, allerdings benötigen nach dem Einsatz einige Runden, um sich wieder aufzuladen.
Neben den zu erwartenden Zaubern wie Angriff, Heilung oder Stärkungen, gibt es auch welche, die direkten Einfluss auf das Erkunden des Verlieses haben. Hinagiku zum Beispiel kann eine Karte aufrufen, die das aktuelle Stockwerk mit allen bereits besuchten Bereichen aufzeigt. Jede Ebene des Abyss ist labyrinthartig und groß, sodass das ständige Gucken auf die Karte Pflicht ist, aber dadurch, dass man nur eine begrenzte Male auf die Karte während eines Dungeon-Runs gucken kann, muss man sich genau überlegen, wann man von diesem Skill Gebrauch machen möchte. Nicht, dass man mitten im Dungeon ohne Karte dasteht und den Ausgang nicht mehr findet! Ebenso ist es wichtig, einen Lichtzauber zu wirken, damit man etwas sehen kann und nicht von Monstern überrascht wird. Alternativ kann man auch Fackeln anzünden, die aber ebenfalls nach einer Weile verbrannt sind, sodass man wieder eine neue aus der Tasche holen muss.
All das und mehr bewirkt, dass der Spieler sich wirklich wie ein Abenteurer fühlt, der sich in unbekannte Gefilde begibt. Jeder Schritt muss gut überlegt sein: Gehe ich an der Abzweigung nach links oder rechts? Wage ich mich in das nächste Stockwerk oder sollte ich besser vorher meine Ausrüstung verbessern?
Ich empfehle jedem, das Spiel auf dem höchsten der fünf Schwierigkeitsgrade zu spielen, damit man gezwungen ist, jede Mechanik, die das Spiel einem gibt, auszureizen. Wer eigentlich gar kein RPG spielen will, der kann auch den leichtesten Schwierigkeitsgrad wählen, bei dem jeder Schlag auf ein Monster ein sicherer Instant-Kill ist. Aber das wäre ja langweilig!
Um sich auf die heftigen Gefechte vorzubereiten, kann man in der Stadt einiges machen: Ein Laden bietet Ausrüstung und Gegenstände zum Verkauf an, sogar seltene, aber Items sind in Explorers of the Abyss sehr teuer und es muss gut überlegt sein, was man sich zulegen will.
In der Taverne kann man sich Rationen für den Abyss kaufen, mit denen man sich an bestimmten Raststellen in der Gruft unterwegs stärken und seine Punkte auffrischen kann. Ebenso kann man vor Ort eine Mahlzeit zu sich nehmen, die für den kommenden Abstieg in die Höhle Bonusse wie Regeneration oder temporäre Statusverbesserungen gibt. Im Hotel kann man sich Luxuszimmer zur Übernachtung nehmen, die am nächsten Tag einen Bonus auf die Erfahrungspunkte geben. Und wenn man pleite ist und sich kein Zimmer leisten kann, so kann man zur Not im noch Stall schlafen – aber hoffentlich zieht man sich da keine Erkältung zu, denn dann muss man teure Medizin kaufen.
Im Laufe des Spiels erhält man auch Unterstützung von Olivias Verlobten und ihrem Bruder. Die stellen ihr eine Villa zur Verfügung, bei der man dann manche der erwähnten Aktivitäten kostenlos tun kann. Ebenso kann man Zimmer des Hauses untervermieten; an Alchemisten oder Erfinder, die Olivia die Möglichkeit geben, mit Items, die sie im Abyss gefunden hat, neue zu craften. Auch besteht die Möglichkeit, mehr Zeit mit seinen Freunden zu verbringen, um diese besser kennenzulernen und Events zu triggern.
Nicht nur die eigene Party kann man im Laufe des Spiels besser kennenlernen. Fast alle NPCs in der Stadt haben einen eigenen Namen und eine Persönlichkeit, die man nach und nach kennenlernen wird. Einige NPCs reisen ebenso wie Olivias Party in den Abyss und man kann ihnen dort über den Weg laufen, was die Freundschaft unter Abenteurern steigert. In der Taverne werden Quests angeboten, die entweder im Abyss oder direkt in der Stadt angegangen werden. Manche Quests bestreiten Charaktere alleine; das sind persönliche Events, die den jeweiligen Character-Arc vorantreiben und meistens mit H-Szenen einhergehen.
Jeder der vier Hauptcharaktere hat ausgeprägte Charaktereigenschaften, die sowohl im Gameplay als auch in den Storyszenen zur Geltung kommen. Je nach Charakter können die Hentai-Szenen auch unterschiedlich ausfallen. Beispielsweise ist Olivia rechtschaffend aber naiv und kann schon mal einem fiesen Bösewicht auf den Leim gehen, Fau hingegen aber ist clever und lüsternd und so mancher Bösewicht wird es bereuen, es auf sie abgesehen zu haben. Das führt auch dazu, dass so manche Events anders ablaufen, als man zunächst denken würde. Langeweile kommt hier nicht auf und der Autor weiß gekonnt, Erwartungen zu unterwandern und jede Szene interessant zu halten.
Explorers of the Abyss ist das beste RPG, das Kagura Games bisher lokalisiert hat. Kein anderes in Englisch lokalisierte H-RPG hat die Fülle an Gameplay-Mechaniken, die noch dazu perfekt balanciert sind und sich gegenseitig ergänzen. Die Welt ist voller NPCs, Events und Quests. Die Dungeons sind, soweit man den Schwierigkeitsgrad korrekt einstellt, fordernd und verlangen vom Spieler alle Aspekte des Spiels zu nutzen und auszureizen. Das Erkunden des Abyss ist zugleich nervenaufreibend als auch befriedigend und an jeder Ecke gibt es Sachen zu entdecken – mehr über die Welt, mehr über die Charaktere oder etwas, das dem Spieler hilft, die nächste Herausforderung heil zu überstehen.
Explorers of the Abyss kann jedem ans Herz gelegt werden, der ein echtes RPG spielen will und für den Hentai ein willkommener Bonus ist. Einzig Menschen, die eigentlich gar kein RPG spielen möchten, würde ich von dem Kauf abraten, denn auch auf dem leichtesten Schwierigkeitsgrad muss man immer noch durch riesige Labyrinthe laufen, Rätsel lösen und versteckte Events triggern – ein schnelles Abklappern von Events ist da nicht möglich. Aber dafür hat Kagura Games in ihrem Sortiment ja über ein Dutzend anderer Spiele, die genau das ermöglichen.
Für alle anderen dürfte Explorers of the Abyss aber 20 bis 30 Stunden qualitativ hochwertiges Dungeoncrawling bieten, das sich selbst vor “professionellen” RPGs nicht verstecken muss.