Der Publisher MangaGamer war so großzügig uns mit einer Reviewcopy zu bestech… beschenken. Und deshalb liefern wir jetzt das Review zu deren neuestem Meisterstreich. Bei diesem handelt es sich um den ersten Teil einer neuen Reihe: Evenicle. Das Spiel gibt es nur exklusiv im MangaGamer-Store und kostet 44,95$.
Evenicle wurde von AliceSoft produziert, einem von Japans größten Gameplay-Eroge Produzenten, hierzulande vor allem bekannt durch die Rance-Titel, und ist ein klassisches Harem-RPG im Stil älterer (und besserer) RPGs. Außerdem versucht das Writing ein bisschen 90er Jahre Flavour mitzubringen, aber dazu später mehr. Machen wir uns nun auf in die Welt von Evenicle und schauen, ob das Spiel seinen Erwartungen gerecht wird oder nicht.
Zur Handlung:
In der ‚Welt von Evenicle‘ (ja, so steht es sogar auf der Weltkarte!) leben die Menschen nach der Doktrin der Heiligen Mutter Eve, dem Evenicle (zusammengesetzt aus ihrem Namen „Eve“ und „Chronicle“, vermute ich). Laut dem Evenicle, das Äquivalent der Bibel, ist es Menschen untersagt mehr als eine/n Lebenspartner/in zu haben (Koitus = Heirat) oder anderen Menschen Leid zuzufügen. Alle, die diese Verbote missachten, werden mit einem schwarzen Ring an ihrer Hand gebrandmarkt und zu vogelfreien „Outlaws“ erklärt, die laut Evenicle auf gleicher Stufe mit den Monstern stehen und ohne Folgen getötet werden dürfen. Dem entgegen stehen die Ritter, von Eve gesegnete Menschen, die mit dem Schutz der Menschheit beauftragt sind und denen es deshalb gestattet ist, mit mehr als einer Person den Bund der Ehe einzugehen. Der Rang eines Ritter bestimmt, wie viele Frauen man sich nehmen darf: vom einfachen „Knight“ bis zu den prestigeträchtigen „Zero Knights“, die die Reiche(n) beschützen und eine Vielzahl an Frauen ihr eigen nennen dürfen.
Und das ist genau der Grund warum Protagonist Asterisk, von allen Aster genannt, ein Ritter werden will: Er will seine beiden Adoptivschwestern Kinou und Kyou heiraten, doch die wollen ihn nur heiraten, wenn er sich als Ritter bewiesen (soll heißen: einen Harem) hat. Also bricht er von seiner kleinen Insel mitten im Nirgendwo auf und säuft kurzerhand ab, weil er nicht auf ein Schiff warten wollte und deshalb lieber schwamm. Halb tot spülen ihn die Gezeiten an die Küste des Königreichs Eden, wo er von einem Mädchen namens Riche gerettet wird. Die Ereignisse überschlagen sich, nachdem er sich in einem nahegelegenen Dorf mit der eigenbrötlerischen Ritterdame Ramius anfreundet und mir nichts, dir nichts finden sich die drei mitten im Kampf gegen die mysteriöse Gruppierung ‚Snake Crest‘ wieder.
Erster Eindruck:
Man reist durch die Welt, tötet Gegner und sammelt Erfahrungspunkte (und Waifus).
Und obwohl die Handlung an sich kein Meisterwerk ist, schaffen es die charmanten Charaktere, der für Alice Soft typische Humor und der wundervolle Zeichenstil die Spieler in ihren Bann zu ziehen. Gepaart mit einer Welt voller Entdeckungen (ganze 100 Stück gibt es zu finden), Mega-Monster (15 völlig optionale Bosse), Dating-Events und Gal-Monster, die man fangen und ausrüsten oder verkaufen kann, findet man sich öfter außerhalb der sichereren Wege als auf ihnen. Aber es ist nicht alles perfekt. Das Spiel ist zu einfach und dem Kampfsystem, obwohl solide und gut durchdacht, fehlt der Feinschliff, die Handlung ist linear und voller Klischees, wenn auch durch gelegentliche (gekennzeichnete) schlechte Enden, die meistens zum Schreien komisch sind, aufgelockert, die Ausrüstungsgegenstände sind teuer und Grinding ist unnötig, weil das Spiel zu einfach ist. Die Kämpfe und die Außenwelt lassen sich zwar durch Drücken von Strg beschleunigen, es gibt jedoch keine Möglichkeit, Autokämpfe eingestellt zu lassen, da sich die Maus bei Zugbeginn eines Spielercharakters immer automatisch auf den Gegner zieht und man dann jeden Kampf wieder auf den Autokampfknopf drücken muss. Das Spiel hat auch ein paar mechanische Schwächen, die Musik kommt zwar von einem bekannten Doujin-Komponisten, der schon für viele Alice Soft Titel gearbeitet hat, obwohl aber die Musik passend ist und man schnell bekanntere Stücke aus der Rance-Reihe wieder erkennt, bleibt kein Titel wirklich im Ohr hängen. Außerdem gibt es zwei bis drei Themes, die mit den Sexszenen zusammenhängen. Keines davon sticht besonders heraus und ein wirklich düsteres Thema gibt es leider auch nicht. Man könnte es als generischen Pornogedudel bezeichnen.
Gameplay:
Auf der Weltkarte steuert man Aster über die Maus oder die Pfeiltasten. Mit einem Linksklick bewegt er sich in die Richtung des Klicks, mit Rechtsklick zu dem angeklickten Punkt. In den Kämpfen steuert man die Charaktere ausschließlich per Maus, es wurde also gerade bei den Punkten auf Handfreiheit geachtet, bei denen es völlig unnötig war. Die Kämpfe kündigen sich durch eine Leiste an, die sich beim Laufen füllt, außerhalb der Straßen schneller als auf ihnen. Man kann sich also theoretisch auf jeden Kampf vorbereiten, falls nötig. Wenn man aber doch mal vom Pfad abkommt, um sich eine Schatztruhe zu holen, oder den Weg zu einem Ziel zu verkürzen, sollte man eventuellen dunklen Wolken ausweichen, weil dort meist ein ein starker Gegner zuhause ist. Leider bietet das Spiel auch in dieser Hinsicht keine Schwierigkeit. Nötig ist es aber meistens nicht, da die Kämpfe, wie oben schon erwähnt, meist extrem einfach sind. Das Grinden fürs Leveln und Geld ist absolut unnötig, wenn man nicht gerade aus jedem Kampf flieht (jeder zweite reicht völlig aus um nicht unterlevelt zu sein). Die Kämpfe sind rundenbasiert und wenn die Charaktere am Zug sind, erhalten sie 1 BP (von maximal 5), Punkte, die für Skills und andere Fähigkeiten benutzt werden und auch nach dem Kampf erhalten bleiben. Normale Angriffe kosten keine BP. Skills müssen jedoch vor den Kämpfen ausgerüstet werden und jeder Charakter hat nur eine bestimmte Anzahl an Skill Points zur Verfügung und alle 5 Level oder wenn ein Charakter-Event eines Teammitgliedes abgeschlossen wird (Aster bekommt gelegentlich auch mal einen von seinen Nicht-Party-Waifus), kommt ein Punkt dazu. Weiterhin gibt es im Kampfsystem die Unterscheidung zwischen zwei Kampfreihen und manche Angriffe treffen nur Gegner in einem Bereich des Kampffeldes. Außerdem gibt es eine kleine Palette an Elementen, die wenigstens ein kleines bisschen Tiefe in die Kämpfe zu bringen versuchen. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass man eine spätere Fähigkeit am Besten dauernd ausgerüstet hat, um sich das Leben ein bisschen einfacher zu machen – weitaus einfacher.
In den Städten kann man allerlei Dinge tun, nur nicht wirklich herum laufen. Die Aktivitäten in einer mehr oder minder großen Stadt werden durch kleine Icons, die einen in Shops, Level-Up Kabinette, Inns oder eine Kirche führen, zugänglich gemacht. Es gibt bei Backtracking zu bestimmten Städten immer mal wieder zusätzliche Dialoge, Events oder sogar Nebenquests abzustauben, die einen dann mit verschiedenen Belohnungen versorgen. In Städten kann man auch Dinge kaufen oder verkaufen. Beim Kaufen von Gegenständen sollte man vorsichtig sein, da die Preise steigen je mehr Gegenstände in einer Stadt gekauft werden.
Die eben angesprochenen Charakter-Events sind Events, die man auslösen kann, indem man sich mit gefüllter Love-Gauge in Asters Heim begibt, und löst so Szenen aus, die sich näher mit Asters Leben und den jeweiligen Charakteren befassen. Man muss hier anmerken, dass es nicht immer frei steht mit welchen Charakteren man seine Beziehung vertieft. Manchmal erscheinen Charaktere an einem Event ausgegraut und man muss mit einer anderen holden Dame Vorlieb nehmen. Auswirkungen auf die Story, oder gar Interaktionen während der Story, hat das jedoch keine. Es dient lediglich dafür, diverse weitere Sexszenen und peinliche Eskapaden für den Spieler zugänglich zu machen, die ihm in seiner Reise als Collectibles dienen. An diesem Punkt kann man auch das spielinterne Tagebuch erwähnen, in dem man die Sammelgegenstände des Spiels einträgt und dem erfahrenen Completionist als Übersicht zum Erreichen der 100% bieten. Hier zu unserem 100% Spielstand.
Kritik an der Schwierigkeit muss man leider etwas extensiver üben, als es uns eigentlich lieb ist, aber mit Evenicle hat der gewiefte RPG-Veteran wohl eher seine Langeweile statt viel Spaß. Das Spiel ist, gelinde gesagt, für erfahrene Spieler wirklich langweilig, da es nach der typischen Final Fantasy: Mystic Quest-Formel den Spieler ständig an die Hand holt und führen möchte. Das bisher schon wenig aufwändige Kampfsystem ist leider auch noch sehr unbalanced zu Gunsten des Spielers, da er meist nicht wirklich taktisch vorgehen muss. Das Spiel bietet einem schon mittig einen Satz an richtig starken Angriffen an, die z.B. fünf Treffer raushauen oder das ganze Gegnerfeld braten, ohne wirklich ein Risiko dabei zu tragen. Es fällt einfach schon auf, dass man alles in den Schoß gelegt bekommt. Man könnte jetzt argumentieren, dass man eine schwierigere Zeit hat, wenn man viele der Fähigkeiten einfach ignoriert und nicht ausrüstet, aber das kann nicht gewollt sein. Das würden wir leider als schlechtes Design bezeichnen. Weiterhin besteht nicht wirklich eine Variabilität, was die Ausrüstungsgegenstände angeht, denn in jeder neuen Stadt kann es ein neues Set an Rüstung geben, die man sich durch das Geld, welches man in Kämpfen sammelt auch erschwinglich macht. Man kann natürlich auch zufällig nach Kämpfen Gegenstände erlangen, doch erstrecken diese sich nicht über dieselben Waffen, die man schon gekauft hat +n, was dann in einen winzigen Zusatz an Stärke kumuliert. Die Itemvarietät, mit Ausnahme der Accessoiregegenstände ist wirklich gering. Auch heilungstechnisch gibt es „Ibuprofen“ für HP und BP-Tränke, mehr nicht.
Zu erwähnen wäre zum Schluss noch, dass die Level Ups nicht nach Erreichen einer bestimmten Menge an Erfahrungspunkten erfolgen, sondern man sich in Städte begeben muss und einen Level-Up Store besuchen muss oder einen Level-Up Gutschein im Shop kauft um auch unterwegs seine überschüssigen Punkte umzusetzen. Seid euch gesagt, das wird euch am Anfang bis Mitte des Spiels wirklich oft passieren (anzügliche Bilder inklusive).
Charaktere:
Aster
Offen, ehrlich und nicht die hellste Leuchte. Da er sich nicht an seine Kindheit erinnern kann und von seinen Schwestern erzogen wurde, sind sein Allgemeinwissen und (un)gesunder Menschenverstand, genauso wie seine grauen Zellen, unterdurchschnittlich entwickelt. Seine Stärken sind, sein aus Unwissenheit resultierender Optimismus, seine Körperkraft und seine „Ausdauer“. Er ist ein riesiger Lustmolch, verfügt im Gegensatz zu Alice Softs Ikone „Rance“ jedoch noch über die Fähigkeit in Anbetracht von Brüsten und Hinterteilen nicht nur mit seinem kleinen Kopf zu denken.
Ramius
Stur, pervers und dumm wie Brot. Sie stammt aus einer Familie renommierter Ritter und hat Minderwertigkeitskomplexe gegenüber ihrer toten Mutter und ihrem Bruder, die beide den höchsten Ritterrang bekleideten. Sie vertiefte sich so sehr in ihr Training, dass sie von anderen Rittern als ‚Loner Knight‘ (Einzelgänger-Ritter) betitelt wurde und von Rittern gleichen Ranges aufgrund ihrer Stärke und draufgängerischen Vorgehensweise gemieden wird. Sie ist mindestens genauso pervers und chronisch untervögelt wie Aster und sehr laut darin, dies zum Ausdruck zu bringen.
Riche
Die Wildfang-Prinzessin des Königreichs Eden. Abenteuerlustig und ohne Achtung vor Rang und Regeln stürzt sie sich in Alles, was ihr Interesse weckt. Sie respektiert ihre Familie sehr, sieht jedoch nicht ein, sich wie eine Prinzessin zu verhalten. Hasst Hannies, da diese Immun gegen Magie sind (ein Running-Gag aus der Rance Reihe). Aster verdankt ihr Laut eigener Aussage sein Leben. Außerdem ist sie eine extreme Tsundere und ihre Reaktionen sind ein essentieller Teil des Humors von Evenicle.
Gurigura
Eine verhungernde Fährtensucherin, die Aufträge für einen mysteriösen Meister abschließt, in der Hoffnung die Welt zu verbessern und zum Ritter gekürt zu werden. Ihr katzenhaftes Aussehen und Verhalten machen sie schnell zum Maskottchen der Gruppe. Ist in der Lage die wichtigsten Fähigkeiten zu lernen und daher unabdingbar in Asters Abenteuer.
Kathryn
Ein Genie und eine unsoziale Taktikerin. Sie vermeidet jeden Kontakt mit Menschen, hat kaum (keine) Freunde, vertieft sich oft tagelang in ihren Forschungen und ist auch sonst ein riesiger Hikikomori. Sie wurde aufgrund ihrer taktischen Fähigkeiten und der Arthur-Tragödie zum ranghöchsten Ritter gekürt, hat jedoch Komplexe, was das betrifft. Außerdem scheint sie nicht ganz so pervers wie der Rest, aber der Schein kann täuschen.
Grafik und Gra-Fi… Nein, den Witz bringe ich jetzt nicht …
Die Weltkarte und die Kämpfe sind komplett in 3D animiert und sind ganz angenehm anzuschauen. Das richtige Highlight sind jedoch die ADV-Szenen und die CGs. Diese sehen einfach umwerfend aus. Der Zeichenstil erinnert extrem an Senran Kagura, was daran liegt, dass es der gleiche Zeichner ist.
Senran Kagura ist dafür bekannt, sehr an der Grenze zu Ero-Content zu kratzen, aber immer noch im Rahmen zu bleiben.
Evenicle liefert diesen Ero-Content jedoch, und das nicht zu knapp. Und die Szenen sehen umwerfend aus. Es ist jedoch nicht alles Vanilla, obwohl man das vermuten könnte. Einen Vorgeschmack auf die dunkleren Szenen kriegt man relativ früh, und es ist wirklich nur ein Vorgeschmack auf das, was kommt. Die Szenen teilen sich grob gesagt in drei Bereiche auf, Comedy (ja, ich kann es nicht anders beschreiben…) und handlungsförderende Szenen, niedliche Vanilla-Szenen und den Rest, die Art von Szene, die dafür da ist um dem Spieler deutlich zu machen, dass eben nicht überall schöne, heile Welt ist. Die Szenen treffen dementsprechend auch hart, da sie meist ohne Vorwarnung kommen. Alice Soft typisch gibt es auch Szenen mit weniger menschlichen Akteuren, wobei auf Sodomie zumindest verzichtet wird. Die eine oder andere Tentakelszene darf man aber nicht missen.
AruNarus Übersetzung:
Evenicle wurde von der menschlichen Translationsmaschine AruNaru übersetzt, und obwohl das nicht nach Qualität klingt, ist der Titel qualitativ hochwertig übersetzt. Evenicle ist gefüllt mit Humor und Charakter, die das Spiel lebendig wirken lassen. Die Übersetzung scheint sehr übertrieben, ist der Originalfassung aber in allen Punkten treu. Es fühlt sich natürlich an und es gibt keinen wirklichen Bruch oder überhasteten Szenenwechsel. An keiner Stelle von Evenicle hat man das Gefühl, dass es sich strecken würde. Es gab auch kaum Rechtschreibfehler. Als aktiv danach gesucht wurde, fanden sich ganze zwei Stück. Die Akzente sind auch gut umgesetzt und zusammengefasst. Die Übersetzung gibt Hoffnung auf eine ähnlich gute bei weiteren Teilen oder auch Spielen anderer Franchises wie z.B Rance IX – Helman Kakumei, Rance X oder SukiSuki
Ein kleines Fettnäpfchen gibt es doch, denn AruNaru fand es angebracht die Speisen des Spiels zu lokalisieren, also wurde schnell mal aus den Udon-Nudeln ein Taco oder ähnliche Shenanigans.
Fazit:
Evenicle ist ein sehr gelungener Titel, der durchaus Spaß macht, wenn man seinen Kopf abschaltet oder, wie ich, auf Humor steht. Wer eine ernste Handlung will, der ist bei Alice Soft eh falsch und fährt mit Titeln von Eushully (leider fast alle in japanisch) sicher besser. Wer aber ein Spiel sucht, dass sich selbst und das RPG Genre als ganzes nicht ernst nimmt, der fährt mit Evenicle genau richtig: Klischees, die sich bewusst sind, dass sie welche sind und eine durchaus ernste und ernstzunehmende Handlung, die sich hinter dem Feuerwerk und Gags und Metahumor versteckt, gepaart mit einer ordentlichen Portion H, das ist es, wofür Alice Soft bekannt und beliebt ist. Und genau das liefert Evenicle. Nächstes Mal wäre ein Hardmode oder eine höhere Schwierigkeitsstufe wünschenswert, bitte. Für eine Herausforderung sollte man dann wohl eher auf Rance VII bis X statt auf Evenicle 2 warten.