Als eines der Urgesteine des Dating-Sim-Genres begeisterte Doukyuusei seit Jahrzehnten immer wieder neue Fans.
Deswegen erschien am 26.02.2021 dann in Japan eine Neuauflage unter dem Titel Doukyuusei: Remake. Diese Version wurde dann am 15.04.2022 dank Shiravune auch für Spieler weltweit in Englisch und Chinesisch als Doukyuusei: Bangin‘ Summer veröffentlicht, was für viele die erste Chance sein wird, diesen Klassiker selbst einmal erleben zu können.
Um herauszufinden, ob das Remake dem Originalspiel auch gerecht wird, müssen wir zunächst einmal feststellen, was Doukyuusei überhaupt zum Meilenstein des Mediums gemacht hatte.
Das Goldene Zeitalter
Als Doukyuusei im Dezember 1992 erstmals für den PC98 erschien, sah die Eroge-Landschaft noch bedeutend anders aus. Anders als heute gab es noch nicht den Anspruch, dass ein Großteil eines Eroges der Beziehung zwischen dem Protagonisten und jeweils einem der Mädchen gewidmet ist.
Eroge hatten ihre Anfänge darin, erotische Abenteuer für den Spieler zu sein – ganz gleich, ob in einer Fantasywelt, einem Sci-Fi-Setting oder in unserer Gegenwart. Während dieser Abenteuer kreuzten natürlich auch viele süße Mädchen ihre Wege mit dem Protagonisten, aber sie waren hier, um das Abenteuer interessanter und erotischer zu machen, nicht um für jede eine umfassende Liebesgeschichte mit dem Protagonisten zu erzählen – das Konzept von „Heroine Routes“ existierte damals noch nicht.
Schnell merkten die Entwickler, dass die Spieler besonderes Interesse daran hatten, mit hübschen Mädchen zu interagieren – schließlich wurden diese Spiele ja auch Bishoujo-Games genannt. Gerade das, wofür die meisten im realen Leben viel zu schüchtern wären, dem Ansprechen und verführen junger Mädchen auf der Straße (Nanpa), entwickelte sich zu einem beliebten Genre. Viele Nanpa-Games begnügten sich damit, Kurzgeschichten mit verschiedenen Mädchen zu erzählen, die jeweils mit dem Ansprechen des Mädchens auf der Straße beginnen und schließlich in einem Love Hotel enden – falls der Spieler im Verlauf der Geschichte auch die korrekten Antworten im Gespräch mit dem Mädchen gegeben hat, natürlich.
Eine besonders populäre Nanpa-Serie war Pinky Ponky des Eroge-Studios élf. Gründer und Autor Masato Hiruta war bekannt für seinen lustigen als auch selbstironischen Schreibstil sowie die komplexen und lebensnahen weiblichen Figuren, die in seinen Geschichten lebten. Diese Charaktere blieben den Spielern sogar so sehr im Gedächtnis, dass es fast schon eine Schande war, dass sie im Endeffekt nicht mehr als ein One-Night-Stand sein sollten.
Ein Gedanke, neu und revolutionär, fing langsam an, sich in den Köpfen der Ero-Gamer zu formen: vielleicht sollten die Mädchen in Eroge mehr sein als nur Hentai-Szenen?
Auch war es Hiruta nicht genug, einfach nur Geschichten zu schreiben, denn das Medium Videospiele hatte so viel mehr Möglichkeiten. Bereits zuvor experimentierte er mit Gameplaymechaniken wie in Doki Doki Shutter Chance!!, wo der Spieler statt Mädchen anzusprechen, ihnen heimlich nachstellt, um dann Fotos von ihnen in anzüglichen Situationen zu schießen. Auch arbeitete er kurz zuvor an der Dragon-Knight-Serie, einer Reihe von Hentai-RPGs, die zunächst als einfache Dragon-Quest-Klone anfingen, sich dann aber späteren Teilen zu Strategie-RPGs entwickelten.
Nachdem sich Hiruta in so vielen verschiedenen Genres probiert hat, konnte er seine Ambitionen nicht mehr zurückhalten. Der Drang komplexere, interaktive Storys zu kreieren, die Gameplay und Storytelling zusammenführen, brachte ihn dazu, sein bisher innovativstes und größtes Spiel zu schaffen – Doukyuusei.
Ein Sommer der Erinnerungen
Das Setting von Doukyuusei ist so einfach wie genial: Es sind Sommerferien!
Takurou, der Protagonist, hat die ersten Wochen seiner Ferien damit verbracht, kleine Nebenjobs zu machen, um sich etwas Geld zu verdienen. Nun, mit fünfzigtausend hart erarbeiteten Yen in der Tasche, möchte er die restlichen drei Wochen damit verbringen, Frauen aufzureißen. Denn Sommerferien sind ja dafür da, Erinnerungen zu machen, nicht wahr?
Doukyuusei ist praktisch ein kleines Open-World-Eroge. Der Spieler kann hingehen, wo immer er möchte, in der Hoffnung, dass dort ein Event auf ihn wartet.
Anders als bei ähnlichen Dating-Sims überschneiden sich die Ereignisse der einzelnen Charaktere häufig, was dazu führt, dass man nicht das Gefühl hat, man würde nur dem Story-Arc eines bestimmten Mädchens folgen. Die vom Spiel intendierte Ziellosigkeit des Hauptcharakters unterstützt das Gefühl, man würde hier sein eigenes, unbekanntes Abenteuer erleben.
Was für Frauen begegnet man wohl beim Schlendern durch die Stadt?
Und welche Geheimnisse hat sie noch zu bieten?
Dating-Sim mit fairen Mechaniken
Dabei ist das Spiel bei Weitem nicht so einschüchternd, wie es auf den ersten Blick aussehen mag.
Wer Angst davor hat, wichtige Events nicht zu finden oder Zeit mit ziellosem Herumirren auf der Stadtkarte zu verschwenden, kann aufatmen. Auch ohne den Easy-Mode, den ich später noch einmal im Detail beleuchte, gibt das Spiel eine Menge Hinweise mit auf den Weg, die in den meisten Fällen direkt den nächsten Ort, an dem es ein Event zu finden gibt, aussprechen. Ebenso gibt es eine Menge Geheimnisse zu entdecken, die ebenfalls hilfreiche Tipps oder Geld spenden.
Ferner ist Geld überraschend unbedeutend. Das meiste wird man während der drei Wochen für Bahntickets ausgeben, um zwischen den beiden großen Stadtkarten zu wechseln. Für manche Unternehmungen wie ins Kino zu gehen oder in den Vergnügungspark kann man ebenfalls Geld ausgeben (oder vielleicht das Mädchen bezahlen lassen?!), aber es wird niemals so viel sein, dass man auch nur annähernd an die Grenzen des Startkapitals kommt.
Wie bereits erwähnt, überschneiden sich die Events der einzelnen Charaktere sehr häufig. Oft kann man mit einem Mädchen nicht weitermachen, bevor man einem anderen nicht ebenfalls näher gekommen ist.
Das führt in manchen Fällen zu Flaschenhälsen im Event-Verlauf. Besonders auffällig ist dabei ein scheinbar unwichtiges Nebenmädchen, dass aber im Verlauf ihrer Storyline eine Location freischaltet, die essenziell für viele andere Mädchen ist. Dieser Umstand ist sogar so berüchtigt, dass ich bereits, bevor ich das Spiel erstmals gespielt habe, wusste, dass so eine unglückliche Verkettung von Ereignissen existiert. Umso mehr war ich dann überrascht, als sich herausstellte, dass das Spiel diesem Umstand ebenso gewahr ist und an mehreren Stellen darauf hinweist und explizite Hinweise gibt, wie dieser Ort zu finden ist.
Bei allem Verständnis für den Unmut über Dating-Sims mit obskuren Flags, die ohne einen Guide nicht zu finden sind; Doukyuusei ist keine von diesen.
Natürlich gibt es auch zeitlich bedingte Events, doch das Spiel macht jedes Mal explizit klar, wann und wo diese stattfinden. Dass man nicht zu spät zum Date kommt, dafür trägt man selbst die Verantwortung.
Neben Map-Movement und ein bisschen Jonglieren mit dem Haushaltsgeld gibt es ebenfalls, wie in so vielen Eroge aus dieser Ära, die Möglichkeit in bewährter Point&Click-Manier Hintergründe und Charaktere zu untersuchen. Das ist nicht relevant für das Fortkommen im Spiel, trägt aber viel zur Charakterisierung des Protagonisten bei und hat manchmal auch Geheimnisse zu offenbaren.
Ebenso sind die meisten Hentai-Szenen interaktiv. Die Möglichkeit zu entscheiden, welche Körperstelle zuerst liebkost werden soll (und wie oft), trägt überraschend viel zur Immersion bei.
Charaktere und Situationen wie aus dem Leben gegriffen
Takurous Persönlichkeit ist eines der Highlights von Doukyuusei und mag manche Eroge-Fans, die persönlichkeitslose Self-Inserts als Protagonisten gewohnt sind, einen Kulturschock verpassen. Wie der Rest der Charaktere im Spiel kann man ihn nicht einfach mit wenigen Worten in eine Schublade stecken, denn er ist so viel mehr als er zunächst den Anschein macht.
Takurou ist ein schamloser, notgeiler Pickup-Artist. Aber das stimmt nicht wirklich, denn Takurous „Kunst“ des Frauenaufreißens ist sehr speziell. So speziell, dass die meisten Frauen sie nicht einmal verstehen. Takurou sagt einfach, was ihm in den Kopf kommt. Manchmal ist es ein cooler Spruch, manchmal ein Dad-Joke, über den nur er lachen kann. Die meiste Zeit ist ihm nichts wichtiger, als eine Frau ins Bett zu kriegen, doch sobald er merkt, dass sie dem vielleicht nur aus persönlichen Problemen zugestimmt hat, bekommt er Zweifel und zeigt aufrichtige Fürsorge.
Takurou ist zugleich unterhaltsam, absurd, übertrieben, als auch zutiefst menschlich. Obwohl er eine so ausgeprägte Persönlichkeit hat, war es mir mehr als einmal möglich, mich in ihn hineinzuversetzen. Takurou repräsentiert nicht nur Jugend sondern auch das Erwachsenwerden. Die Lust, die Welt zu entdecken und die dadurch gesammelte Erfahrung, die den Charakter für immer prägen wird und den Mensch reifen lässt.
Die Erinnerungen, die in diesem Sommer gemacht werden, handeln nicht nur davon, wie Takurou Mädchen zu Frauen macht. Sie machen auch aus diesem Jungen einen Mann.
Es wäre allerdings auch sehr falsch anzunehmen, dass die Mädchen und Frauen, die Takurou über den Weg laufen, nichts weiter als Trophäen für seine Sammlung seien. So wie Takurou sein eigener Mensch ist, hat auch jeder andere Charakter im Spiel sein eigenes Leben, eigene Träume und Ambitionen und eigene Ziele, die nicht unbedingt mit denen von Takurou übereinstimmen müssen.
Wer von modernen Eroge die Erwartung hat, dass jedes Mädchen auf konventionellem Wege eine Beziehung mit einem eingehen wird, könnte enttäuscht werden. Neben denen, die aufrichtiges Interesse an Takurou haben, gibt es ebenso welche, die andere Absichten haben. Manche sehen ihn als Chance ihren Ex zu vergessen, andere sehnen sich einfach nach der Zuneigung, die Takurou ihnen geben kann und andere haben kein wirkliches Interesse an ihm. (Nicht dass das ein Hindernis für unseren Möchtegern-Casanova wäre!)
Das führt dazu, dass die Charaktere wie aus dem echten Leben gegriffen wirken. Kein simples Wish-Fulfillment für einsame Otakus, die sich eine virtuelle Freundin wünschen, sondern eine realistische Simulation zwischenmenschlicher Interaktionen.
Ein großer Meilenstein damals, etwas sehr Seltenes heute.
Ein Bangin‘ Sommer
Diese Herangehensweise zeigt sich auch in den Hentai-Szenen. Wo bei modernen Eroge meist jede Heroine-Route über die gleichen Hentai-Szenen verfügt, die auch immer wieder die gleichen Positionen oder Fetische zeigen, sind die intimen Momente für jedes Mädchen in Doukyuusei anders. Während die Beziehung zur Klassenkameradin natürlich in einem zärtlichem ersten Mal mündet, benimmt sich die Prostituierte, die man sich im Nachtclub für eine Stunde gemietet hat, auf eine Weise, die Einblick darin gibt, wie dieser Beruf sie geprägt hat. Es gibt sogar Hentai-Szenen, die in der Mitte abgebrochen werden, weil beide erkennen, dass es nicht Liebe war, die sie zusammengeführt hat sondern destruktivere Gefühle. In diesen Momenten zeigt Takurou eine unerwartete Reife, die weit über das, was man von Nanpa-Protagonisten zu dieser Zeit erwartet hat, hinausgeht.
Auch wenn viele Fans Doukyuusei nachsagen, dass es trotz allem ein Nanpa-Spiel sei, in dem das Ziel ist, so viele Frauen wie möglich flachzulegen, um einen Bangin’ Summer erleben zu können, so halte ich diese Interpretation der Handlung für fehlgeleitet. Es stimmt, dass es meist nicht möglich ist, „pure“ zu spielen, aber das ist auch irgendwie der Punkt. In den drei Wochen Sommerferien entwickelt sich Takurou vom Möchtegern-Nanpa-Artist zu einem Lover und vielleicht sogar aufrichtigen Boyfriend. Nichtsdestotrotz werden Takurou verständliche Grenzen gesetzt; wenn er zum Beispiel mit der Schwester oder der besten Freundin eines Mädchens schläft, so will diese nichts mehr mit ihm zu tun haben.
Vieles liegt auch im Ermessen des Spielers. Niemand zwingt ihn, nachdem er das Herz eines Mädchens erobert hat, noch einem anderen Mädchen nachzustellen, nur weil die drei Wochen noch nicht abgelaufen sind und Takurou noch ein paar Tage mehr Zeit hat, dumme Dinge anzustellen. Es gibt auch meistens die Möglichkeit, Nein zu sagen, was ebenfalls sehr zu Takurou passt – er ist sehr gut darin, eine Frau anzusprechen, aber manchmal scheitert er dank seiner Ehrlichkeit dabei, den Sack zuzumachen. Zu lachen hat der Spieler aber immer etwas.
Doukyuusei 2 würde dieser Entwicklung folgen, einen neuen Protagonisten etablieren, der weit netter und anständiger ist, als Takurou es war, und Heroine-Routes präsentieren, die mehr dem Ideal der wahren Liebe entsprechen, das man heutzutage fast immer vorfindet.
Trotzdem war Doukyuusei das Spiel, das den Eroge-Fans von damals wirklich klargemacht hat, wie viel schöner es ist, Mädchen mit Respekt und Liebe zu begegnen und eine aufrichtige Beziehung mit ihnen eingehen zu wollen, statt sie nur als One-Night-Stand-Trophäe in der CG-Galerie anzusehen.
Ein moderner Anstrich
Schön sehen die Mädchen natürlich trotzdem in der Galerie aus. Bei vielen Remakes älterer Spiele, zuletzt erst beim Remake zu YU-NO, beschweren sich Fans oft zurecht, dass die moderne Neuinterpretation dem Original nicht gerecht werden würde.
Doukyuusei: Remake wird dem Original gerecht.
Ich habe noch nie ein Remake eines klassischen Eroge gesehen, das dem Original so nahe steht und gleichzeitig alle Vorteile nutzt, die moderne Computergrafiken ermöglichen. Die CGs sind mit das Schönste, was Eroge heutzutage zu bieten haben – hochauflösend, teils animiert und fantastisch gezeichnet – während sie die originale Pixelart eins zu eins bis aufs Detail umsetzen.
– Allerdings so detailgenau umgesetzt, dass in manchen Szenen leider wichtige Details oben oder unten fehlen können. Warum das Bild da nicht angepasst wurde, ist mir unbegreiflich.
Ebenso ist der Soundtrack ein modernes Arrangement der PC98-Midi-Sounds, bei dem die Originalmelodie trotz zusätzlicher Instrumentalisierung immer noch deutlich im Vordergrund steht und nostalgische Gefühle erzeugt, sollte man mit dem Original vertraut sein.
Einzig die grafische Oberfläche ist etwas ungeschickt zusammengebastelt. Das Map-Movement ist über die Maus recht hakelig zu bewerkstelligen, benutzt man nicht die Tastatur oder die Schnellreisefunktion der Karte, die allerdings jedes Mal, wenn man sie aufruft, eine Sekunde Ladezeit benötigt.
Gamepad ist leider auch keine Option; obwohl die moderne GUI sehr leicht mit Buttons navigierbar sein sollte, hat das Spiel Button-Inputs leider nicht auf die Schaltflächen gemappt. Stattdessen lassen Gamepad-Buttons die Mauszeigerposition von einer Schaltfläche zur nächsten springen, was oft ein ungewolltes Highlighten von Schaltflächen hervorruft, wenn die GUI sich ändert und der Mauszeiger nun über einer anderen Schaltfläche schwebt. Ein reines Mappen der Buttons auf Keyboard-Tasten ist auch nicht ohne Weiteres möglich, weil manche Situationen wie die Point&Click-Sequenzen Mausbedienung erzwingen. Unschön.
Ein kleiner Makel, der aber im Verlauf des Spiels jeden Spieler zumindest etwas nerven wird, ist der Umstand, dass man zum Verlassen einer jeden Location erst das Menü der Location aufrufen und dort explizit auswählen muss, dass man den Ort verlassen muss. Das mag am Anfang kein Problem sein, aber wenn man später in schneller Sequenz viele Orte auf der Stadtkarte nach neuen Events abgrasen möchte, ist das ein unnötiger Schritt, der viele Sekunden Spielzeit, die schnell zu Minuten werden können, verschwendet.
Man sollte erwarten, dass ein Remake, das mit so viel Liebe die Grafik und die Musik eines Klassikers an die modernen Standards anpasst, etwas mehr Mühe in die Bedienbarkeit des Spiels stecken würde. Hier wurde leider die Chance vertan, dieses Remake als „perfekt“ bezeichnen zu können.
Für eine neue Generation an Gamer: der Easy-Mode
Wo wir bei der Oberfläche des Remakes sind, wäre jetzt auch ein guter Moment, den neu für das Remake eingeführten Easy-Mode näher zu beleuchten.
Easy-Mode, der sogar standardmäßig eingeschaltet ist, da Entwickler heutzutage den Spielern nicht zutrauen, ohne Händchenhalten ein Videospiel spielen zu können, fügt im Grunde drei neue Features hinzu:
- Anzeigen von aktiven Events der Mädchen auf der Stadtkarte
- Anzeige, welche Entscheidungen das Herz eines Mädchens gewinnen oder verlieren lassen
- Zeitplaner, der alle essenziellen Events aller Mädchen mit Datum, Uhrzeit und Ort anzeigt und bei Wunsch das Spiel zu dem Event vorspult
Das Anzeigen von Events auf der Karte ist für viele, die keine Lust haben, blind alle möglichen Orte auf der Suche nach neuen Ereignissen abzuklappern, sicherlich eine wünschenswerte Ergänzung, hat aber einen kritischen Mangel; es werden nur Events angezeigt, bei denen ein Mädchen anwesend ist. Events, die Teil der Story eines Mädchens sind, aber das Mädchen nicht direkt beinhalten (wie zum Beispiel die wichtige Erkenntnis, dass ein Mädchen nicht vor Ort ist), werden nicht angezeigt. Ebenso werden Events nicht angezeigt, bei denen nur ein Junge anwesend ist. Das ist insofern kritisch, als dass manchmal mehrere Events an einem Ort aktiv sein können. Aber wenn das Event mit einem Jungen vor dem Event eines Mädchens freigeschaltet wurde, erscheint der Ort auf der Karte leer, obwohl auch ein Mädchen dort wartet.
Auch wenn die Anzeige der Events manche Ereignisse sichtbar macht, die man sonst vielleicht nicht selbst gefunden hätte, so schützt das Feature leider nicht davor, dass man weiterhin viele Orte blind besuchen muss, weil dort doch ein essenziell wichtiges Ereignis stattfinden könnte – oder ein optionales Secret.
Das Anzeigen, welche Entscheidungen welche Auswirkungen auf die Mädchen haben, ist interessanter, aber weniger als Gameplay-Erleichterung sondern mehr, um einen Blick in die Psyche der Mädchen zu bekommen. Zu sehen, welches Kompliment sie positiv oder auch negativ auffässt, lässt tiefe Schlüsse ziehen. Um das Herz eines Mädchens zu erobern, ist das aber nicht nötig. Wenn man nicht total versagt, sollte man auch beim blinden Auswählen von Kommentaren genug Love Points gesammelt haben, um das nächste Event aktivieren zu können.
Die Entscheidungen, die für das Weiterkommen in der Route des Mädchens notwendig sind, werden nicht besonders markiert. Meistens ist es eine Entscheidung, die gleichzeitig auch das Herz höher schlagen lässt, aber nicht immer. Und in wenigen Fällen ist es sogar die negative Entscheidung, die nötig ist, um das Mädchen aus ihrer Deckung zu locken.
Der Zeitplaner ist ein gutes Mittel, um sicherzustellen, dass man keine der wichtigen Events verpasst. Ebenso zeigt er auch an, welche Events eines Mädchens die Events eines anderen Mädchens bedingen. Allerdings nimmt er aber auch jeden Anspruch aus dem Spiel. Ich schrieb vorhin, dass das Spiel genug Hinweise gibt, um diese Events selbst finden zu können, aber die werden unnötig, wenn bereits alles im Zeitplaner steht. Das macht das Erkunden der Stadt und Aufdecken von Geheimnisse teilweise weniger spannend oder gar unnötig.
Die Sprungfunktion des Zeitplaners sollte aber in keinem Fall benutzt werden. Theoretisch ist es möglich, das Spiel ohne Map-Movement durchzuspielen, indem man einfach von Event zu Event springt. Doch dann würde man den größten Teil des Spiels verpassen. Essenzielle Events, die im Kalender stehen, sind nur ein kleiner Teil der Sommererfahrung. Fast noch wichtiger sind die Ereignisse, denen man beiläufig begegnet. Ohne diese fehlt es an Charakterisierung, Hintergrundgeschichte und vor allem Immersion für den Spieler.
Ich habe keine Zweifel daran, dass das strikte Folgen des Zeitplanes das Spiel für jeden ruinieren würde – auch für die Leute, die Gameplay in ihren Visual Novels hassen und lieber nur ADV-Szenen lesen würden.
Leider lassen sich die drei Funktionen nicht einzeln aktivieren. Entweder man bleibt beim Easy-Mode und hat alle Features aktiviert oder man stellt zu Classic-Mode um und hat keine. Zumindest kann man jederzeit während des Spielens wechseln.
Lügenpresse Internet? Zensurvorwürfe!
Im Vorfeld des Erscheinens der englischsprachigen Version des Doukyuusei-Remakes konnte man an vielen Stellen im Internet die Meinung lesen, dass es sich bei der Spielversion um eine zensierte Fassung handeln würde und dass das Script an mehreren Stellen entschärft worden sei. Wie das Internet nunmal so ist, konnte man danach an manchen Stellen sogar die Behauptung lesen, Shiravune würde Doukyuusei zensieren. Das entspricht natürlich nicht der Wahrheit.
Doukyuusei: Bangin‘ Summer ist nicht zensiert.
Tatsächlich ist Doukyuusei: Remake, also die japanische Version, ebenfalls nicht wirklich zensiert. Die Wahrheit ist etwas komplizierter:
Am Ende der PC98-Ära, also Ende der 90er, haben viele Firmen ihre alten PC98-Spiele auf Windows 95 oder 98 portiert. Doukyuusei bekam 1999 ebenfalls so einen Windows-Port, allerdings handelte es sich dabei nicht um einen Direktport sondern eine leicht bearbeitete Version. Einige Stellen des Scripts wurden angepasst und umgeschrieben. Das beinhaltete sowohl Hentai-Szenen als auch Endings. Viele Leute haben das damals als Zensur verstanden, sodass élf 2008 noch einmal das Originalspiel mit Originalscript für Windows herausgebracht hatte.
Doukyuusei: Remake basiert allerdings auf der angepassten Version von 1999.
Als jemand, der beide Versionen gespielt und verglichen hat, kann ich sagen, dass ich die 1999-Version bevorzuge. Ja, sie ist leicht entschärft, aber ehrlich gesagt dadurch auch besser – zumindest wenn man auf gut geschriebene Charaktere und Situationen steht. Das Original hat einen wilden, rebellischen Stil, der zur damaligen Zeit Gang und Gebe war, aber die Windows-Version ist logisch konsistenter, hat mehr Respekt für ihre Geschichte und ihre Charaktere und liest sich auch kohärenter.
Wenn man bedenkt, wie ähnlich die 1999-Version von Doukyuusei dem Sequel Doukyuusei 2 ist, würde ich vermuten wollen, dass es auch die von élf bevorzugte Version ist und ein Versuch war, das Original an den neuen Standard, den das Sequel etabliert hat, anzupassen.
Jedem ist natürlich selbst überlassen, welche Version er bevorzugt, doch Doukyuusei: Remake Zensur vorzuwerfen, wenn es eine offiziell vom Entwickler abgesegnete Version ist, halte ich für irreführend.
Eine knallende Übersetzung
Wie immer ist Shiravunes Übersetzung ordentlich. Besonders gelingt der Übersetzung den spaßigen, humorvollen Stil des Originals einzufangen. Ich musste ständig beim Lesen laut auflachen – etwas, was mir normalerweise nur sehr selten passiert.
Etwas seltsam muteten mir nur einige der „Lokalisationen“ japanischer Begriffe und Eigenheiten an. Besonders die Übersetzungen einiger Kosenamen erschließen sich mir nicht wirklich.
Auch etwas befremdend erschien mir das umgangssprachliche Vokabular, das benutzt wird. Doukyuusei spielt zum Ende der Bubble Economy und das Setting fängt diesen Umstand sehr gut ein. Aber viele der Ausdrucksformen, die verwendet werden, wirken sehr modern und würden genau so auch heute gesagt werden. Doch obwohl mir das an manchen Stellen schwach auffiel, sollte es aber für die meisten Leser kein Problem sein. Im Gegenteil, die dadurch transportierte, kolloquiale Stimmung des Spiels entspricht sicherlich für die westlichen Spieler im heutigen Jahr genau der der japanischen Spieler vor 30 Jahren.
Das einzige, was mir wirklich nicht recht gefallen will, ist der Untertitel „Bangin‘ Summer“. Ja, ich verstehe den Subtext dahinter. Aber ich glaube nicht, dass das Knallen von Mädchen wirklich das Wichtigste in diesem Sommer ist. Zumindest nicht in dieser Fassung des Spiels.
Ein unvergesslicher Sommer
Es wird einige Leute geben, die sagen werden, dass Doukyuusei trotz seines Alters gut sei. Aber das ist falsch. Doukyuusei ist gut, weil es so alt ist.
Es repräsentiert das goldene Zeitalter der Eroge, wo noch Innovation, Kreativität und Leidenschaft die treibenden Kräfte hinter der Entstehung vieler Spiele waren.
Doukyuusei: Remake schafft das fast Unmögliche und fängt die Stimmung eines 30 Jahre alten Spiels mit moderner Technik adäquat ein.
Doukyuusei war ein prägendes Spiel für mich und ist immer noch mein Lieblingsspiel dieser Art. Ich fühle mich sehr geehrt, dass ich daran arbeiten konnte, und hoffe, dass diese Version von neuen und alten Fans sowohl in Japan als auch weltweit genossen wird.
Yasuaki Matsuda, der Direktor und Produzent von Doukyuusei: Remake
Die Vorwürfe, dass es sich beim Remake um eine zensierte Version handele, sind fehlgeleitet. Doukyuusei: Remake basiert auf der ersten Windows-Version von 1999, praktisch dem „Director’s Cut“ von élf selbst, das Unsaubarkeiten im Originalscript versucht auszubessern und es mehr an den Stil des Nachfolgers Doukyuusei 2 anzupassen. Das mag Puristen des Originals stören, aber von Zensur kann da kaum die Rede sein. Insbesondere, wenn diese Vorwürfe dann vorurteilsbehaftet auf den Fluch von „modernen Remakes“ geschoben werden. Das ist schlicht nicht wahrheitsgemäß.
Doukyuusei: Bangin‘ Summer ist die beste Möglichkeit einen Einblick in das goldene Zeitalter der Eroge für englischsprechende Fans zu bekommen. In der Hinsicht bietet Bangin‘ Summer eine einzigartige Erfahrung, die kein Eroge-Freund auslassen sollte, selbst wenn er älteren Spielen zweifelnd gegenübersteht.