Was wäre, wenn Japan zerbrochen wäre? Was wäre, wenn Tokio komplett abgeschottet vom Rest der Welt existieren würde? Was wäre, wenn es keine Schusswaffen gäbe?
Wenn man sich diese 3 Fragen stellt, befindet man sich in der Welt von Hanachirasu. Doch das Cyberpunk-Tokio des 21. Jahrhunderts ist nur der Schauplatz einer Geschichte von Rache und Dualität – untermalt mit japanischer Schwertkampfkunst, die bis ins äußerste Detail geht.
Rahmenhandlung
Wie bereits erwähnt, ist dieses Tokio etwas anders als das Tokio, das wir kennen. Am besten zu beschreiben wäre es als Parallel-Universum, in dem Japan nach dem 2. Weltkrieg nicht kapituliert hat, da die USA keine Atombomben abgeworfen hatte. Der Kampfgeist des japanischen Volkes war also so groß, dass sie versucht haben, ihr Land bis zum bitteren Ende zu verteidigen – im Zweifelsfall auch mit der gesamten Bevölkerung. Die USA und die Sowjetunion hatten nach der Besetzung von Kyushu (New Warwick) und Hokkaido (Vladiyug) jedoch andere Pläne und schafften es mit einem Vertrag den Frieden, aber auch die Souveränität Japans zu garantieren, wobei jedoch die nördlichsten und südlichsten Landmassen für immer verloren gingen.
Was sie aber nicht erahnen konnten, war, dass der revolutionäre Nationalist Ishima Kaigen an die Macht kommt. Japan hatte durch das Ende des 2. WK zwar große Fortschritte im Wiederaufbau der Wirtschaft gemacht und für einen brisanten Aufstieg gesorgt, aber die „Verseuchung“ der japanischen Ideale durch westliche Traditionen und ausländische Menschen waren Kaigen und seinen Unterstützern zuwider.
Er ließ um Tokio eine Mauer errichten, diese zur autonomen Zone umfunktionieren, und machte die Einreise von Nicht-Japanern gesetzwidrig. Außerdem sah er Schusswaffen als Wurzel der westlichen Korrumpierung an, weswegen sie ebenfalls verboten wurden. Tokio sollte das perfekte nationalistische Ideal für den Rest von Japan sein, in dem man „niemals einen Schuss hören wird“.
Dies hat sich als wahr herausgestellt, denn es fanden sich keine Schusswaffen in den Händen der Bevölkerung oder im Besitz der Polizei. Und nebenbei wurde Tokio zur Stadt mit einer der höchsten Mordraten auf der ganzen Welt. Ups.
Kaigen hat wohl nicht bedacht, dass das Katana so beliebt wird, denn nun stand eine Polizeimacht Kriminellen mit gleicher Bewaffnung gegenüber – einer Bewaffnung, die im besten Fall zu schweren Blutungen, im schlimmsten zum Verlust von Körperteilen oder dem Leben führt. Im Zuge dieses Gesetzes und der Inkompetenz der Polizei sah sich die Bevölkerung gezwungen, die Kunst des Schwertes bei verschiedenen Meistern zu erlernen, was eine Wiederbelebung der japanischen Schwertschulen verursachte.
Das Tokio in Hanachirasu ist eine bizarre Vermischung des Edo-Japans mit einer dystopischen Zukunft in der Mega-Korporationen das Sagen haben. Es gilt das Recht des Stärkeren.
Handlung
Die eigentliche Handlung befasst sich mit 2 Männern; dem Söldner Akane Takeda und dem Terroristen Yoshia Igarasu.
Beide sind exzellente Schwertkämpfer der gleichen Schule, welche einst mit ihrer fast übermenschlichen Kampfkunst zusammen das Rückgrat ihres Dojos bildeten. Jedoch beging der hitzige Akane nach einem Duel um die Hand der Tochter des Dojo-Meisters einen Mord an derselbigen.
Vier Jahre sind seitdem vergangen und Yoshia bemüht sich Rache für seine Geliebte auszuüben und hat sich deswegen der Hokodome-no-Kai, einer Terrororganisation, die sich als ideologische Anhänger Kaigens ansehen, angeschlossen. Politisch hat er kein Interesse an der Terrorzelle, er weiß nur, dass sein Erzfeind ein Leibwächter im Auftrag der Takigawa-Corporation ist, welche passenderweise von den Hokodome-no-Kai angegriffen wird, und erhofft sich so an ihn heranzukommen.
Charaktere
(Notiz vom Autor: Das sind nicht alle Charaktere, die vorkommen, jedoch meiner Meinung nach viel Einfluss an der Handlung haben und deren Erwähnung auch keine Art von Spoiler ist.)
Akane Takeda
Yoshia Igarasu
Itsurin
Yumi Takigawa
Yasaka
Ästhetik
Mir fällt keine bessere Methode ein, die auffälligen Design-Richtungen von Hanachirasu unter einem besseren Wort zu spannen, zumal der Präsentationsrahmen des Novels meiner Meinung nach auch eher „ästhetisch“ also schön ist.
Präsentation
Was einem direkt auffallen wird, ist, dass das Spiel im NVL(Novel)- Stil präsentiert wird und nicht im allseitsbekannten ADV (Adventure-Game)-Stil mit Textboxen.
Der bekannteste Vetreter des NVL-Stils ist Fate/stay night, aber es gibt zu viele um sie alle erwähnen zu können, ich kann empfehlen auf VNDB mal vorbeizuschauen, dort sind alle Vertreter gelistet.


Dies bietet der Story vor allem Freiheit hinsichtlich der Erzählung – auch wenn Akane die meiste Zeit auf dem Bildschirm verbringt, identifizieren wir uns nicht direkt mit ihm als Hauptcharakter (das ist DEFINITIV nicht der einzige Grund). Was mir in vielen ADV-Games bis auf ein paar Ausnahmen immer noch auffällt, ist, dass die Perspektiven immer sehr rigide sind. Sehr selten passiert es mal, dass man aus der Sicht von jemand anderem als dem Main Character die Gedanken mitbekommt.
In Hanachirasu passiert es hingegen recht oft, dass die Perspektiven zu anderen Charakteren und deren Gedankengängen gewechselt wird.
OST
Mal abgesehen von der visuellen Repräsentation gibt es natürlich auch noch die Musik und den Artstyle. Wie auch die Story des Spiels ist im Grunde alles durch einen tiefer liegenden Dualismus geprägt, der zum einen das traditionelle Japan gegenüber dem Modernen und teils auch Westlichem stellt, zum anderen aber auch die grundlegenden Antithesen die Akane und Yoshia darstellen.
Ich finde den Soundtrack wirklich gelungen. Die beiden Beispiele, die ich hier gewählt habe, zeigen vor allem das „Westlich-Moderne“ in Form von E-Gitarren und Jazz-Saxophon, wohingegen vor allem in Thunder King auch das „Japanische“ durch die Shakuhachi (japanische Flöte) und die Trommeln herauskommt. Aber bildet euch am besten eure eigene Meinung durchs Anhören.
Art
Den Artstyle und die Art-Direction an sich ist finde ich auch sehr gut und auch sehr mit „Absicht“ gewählt. Was ich damit meine, ist, dass die Darstellung der Charaktere ihre Persönlichkeit sehr gut wiedergibt.
Wenn wir zurück zum bereits angesprochenen Dualismus gehen, erkennen wir bei Yoshia im Grunde ein „typisches“ japanisches Aussehen, das an einen Samurai ohne Rüstung erinnert: Ein Kimono mit „Sarashi“ (das weiße Stück Stoff, dass er unter dem Kimono trägt, ein Symbol der Stärke) und anstatt Schuhe trägt er „Geta“ (Holzsandalen). Kombiniert mit seinem stoischem Gesichtsausdruck wird eindeutig das Bild eines feudalistischen Japans dargestellt.
Bei Akane hingegen haben wir eine Art Mischform: Er trägt zwar Kimono, doch ist dieser im Grunde nur übergeworfen als eine Art „Mantel“. Er trägt darunter ein weißes Hemd mit Hose und Anzugschuhen. Seine Frisur erinnert witzigerweise eher an den typischen Samuraihaarschnitt „Chonmage“ mit seinem Pferdeschwanz. Aber es wird fast schon ein wenig ins Lächerliche gezogen dadurch, wie „mädchenhaft“ ein Ponytail in der Regel aussieht im Vergleich zum Chonmage. Insgesamt ist bei Akane das Japanische im Grunde nur rudimentär vorhanden um den Schein eines traditionellen Schwertkämpfers zu wahren.
Swordplay


Spicy
Abgesehen von regulären CGs gibt es auch noch… andere CGs. Hab ich schon erwähnt, dass Hanachirasu, wie alle guten Nitroplus-Spiele ein Eroge ist? Jetzt wisst ihr es zumindest.
Der eigentliche Eroge-Content ist jedoch sehr spärlich bis auf eine handvoll Szenen, und eine davon ist auch nicht so ganz koscher… *hust* R*pe *hust*. Wenn ihr eine Allergie gegen sowas habt, dann überlegt euch zweimal ob ihr die Story-Sektion durchlesen wollt. Die CGs sind jetzt nichts, worüber man stundenlang debattieren muss. Sie sind halt da, aber ohne hätte ich damit auch kein Problem gehabt. Sie nehmen weder von der Immersion weg, noch fügen sie sonderlich viel hinzu.
Spoilerfreies Fazit
Insgesamt ist Hanachirasu eine echt einzigartige Erfahrung, die ich jedem ans Herz legen kann, der auch nur ein bisschen an japanischer Kultur oder Cyberpunk interessiert ist. Die unterliegende Story ist ein Hidden Gem was Visual Novels angeht und wäre wahrscheinlich um einiges bekannter, wenn Eroge nicht so eine obskure Nische im westlichen Internet wären. Falls euch alles vorherige nicht abgeschreckt hat, besorgt euch das Spiel auf JASTUSA. Ihr macht nicht nur mich sondern auch den werten Bloodnose (Chef von JAST USA und aktives Mitglied in unserem Discord Server) ganz glücklich :^).
Story
Ab jetzt ist Spoiler-Zone. Fühlt euch gewarnt!
Im Lauf der Story sind wir hauptsächlich mit Akane unterwegs und falls wir Entscheidungen treffen müssen, sind das immer welche aus seiner Perspektive. Ich hatte mir persönlich auf VNDB fairerweise bevor ich angefangen hab zu spielen keine der Tags angeschaut und wusste auf Anhieb nicht, dass Akane der eigentliche Protagonist ist, obwohl sogar das Icon der .exe ein Sprite von ihm ist (maximum smart). Ich hatte in meiner unendlichen Weisheit gedacht, dass der Protagonist Yoshia ist, gerade weil er derjenige ist, der aus einer „rechtschaffenen“ Position heraus handelt und er sehr darauf achtet, nicht unnötig Leute zu töten. Im Gegensatz dazu ist Akane sehr tötungsfreudig, zumal sein rücksichtsloser Mord Schuld daran ist, dass er jetzt von seinem ehemaligen Freund gesucht wird.
Man wäre jetzt eventuell verleitet zu behaupten, dass Akane ein Antiheld ist, ein wenig wie Rance.
Und das ist absolut nicht der Fall. Akane ist ein Bösewicht durch und durch. Wohingegen ein Charakter wie Rance eigentlich ein „Guter“ mit etwas skrupellosen Mitteln ist (vergewaltigt nur Frauen die böse Dinge tun, er ist ja schließlich ein Gentleman!), ist Akane gewillt eine Hokodome-no-kai Kämpferin vor dem Tod zu verschonen, nur um sie danach gewaltsam zu nehmen. Ich kann durchaus sehen, dass manche Leute ein Problem haben, sich mit so einem Charakter zu identifizieren und seine Standpunkte zu verstehen, doch gerade das finde ich klasse. Es ist einfach untypisch und dadurch innovativ und Akane ist immer noch „menschlich“ genug ohne zu einseitig böse zu sein.
Ich kann mit bestem Gewissen sagen, dass allein diese Konstellation ein großer Faktor war, dass ich die Story so sehr genossen hab. Eine klischeebehaftete, idealistische Geschichte in welcher der rechtschaffene Samurai es schafft den Tod seiner Geliebten zu rächen, eventuell seine Rachegelüste hinter sich lässt und mit Erhabenheit aus der Sache herausgeht, das wäre echt zum Kotzen gewesen muss ich gestehe. Selbst Yoshia in seiner sehr stereotypischen und fast schon lächerlichen Eindimensionalität bringt sich selber dazu seine Geliebte Yumi zu töten und eine unschuldige Patientin, von der er denkt, sie sei Akanes Schwester, aus einem Krankenhaus zu entführen, nur um sie vor den Augen seines Gegners als Vergeltung hinzurichten.
Ich hab zwar erwähnt, dass es Entscheidungen in dem Spiel gibt, aber eigentlich ist es effektiv eine Kinetic-Novel. Die Entscheidungen, die man trifft, sorgen entweder dafür, dass man ein Bad-End erhält, oder man in der Story weiterkommt.
Und passend zum Charakter; wenn man auch nur ein Fünkchen Mitleid oder Reue zeigt, erhält man ein schlechtes Ende. Zu versuchen sich zwischen Akane und dem wichtigsten Kampf seines Lebens zu stellen, wird durch das Spiel konsequent mit einem Bad End bestraft, wovon manche nur nach erneutem Spielen zugänglich sind.
Die Hauptüberlieferung von Informationen geschieht durch Subversion – Dinge, die nicht so sind, wie sie scheinen. Das funktioniert überraschend gut und lässt die Story weder fad noch berechenbar werden.
Um das mal ein wenig zu illustrieren: Am Anfang vom Spiel ist Akane auf einem der CGs scheinbar nur ein Nebencharakter und zunächst absolut unbedeutend, wird dann aber zur Kampfmaschine um ein paar Terroristen abzuschlachten. Ebenfalls zu erwähnen ist natürlich, wie ich bereits erwähnt hab, dass man bei Akane nicht vermutet er sei der Hauptcharakter.
Warum genau so viel von der Story subversiv erzählt wird anstatt uns direkt Sachen zu berichten, hat natürlich wie bereits genannt den Sinn, die Story etwas genüsslicher zu überbringen. Aber im übertragenen Sinne liefern sich die Charaktere durch ihre Handlungen indirekte Kämpfe. Grundkonzept des japanischen Schwertkampfs ist es, den Gegner zu überlisten bevor er überhaupt nur die leiseste Ahnung hat, was vor sich geht, und ihn dann niederzustrecken, während er sich wundert was gerade geschehen ist.
Kurz gesagt: Die gesamte Story ist im Grunde eine riesige Allegorie eines Schwertkampfes zwischen den beiden Hauptcharakteren im direkten aber auch im indirekten Sinn.
Dem Leser wird von Yoshias Maken auch erst spät berichtet. Man weiß zwar, dass er eins besitzt, jedoch wissen wir nicht, was für eins. Und genau da, wo wir von seinem Maken mitbekommen, ist es für seinen Gegner auch schon zu spät. Gegen Ende der Story erhält Akane auch ein eigenes Maken, jedoch wird auch nicht erklärt, wie es funktioniert, bis es wirklich zum Kampf kommt. So als ob der Leser selbst nicht davon wissen dürfe um Akanes taktischen Vorteil zu wahren.
Endgültiges Fazit
Falls ihr selbst das Spiel gespielt und danach meine Review gelesen habt, hoffe ich, dass ich euch ein paar neue Blickwinkel der Story zeigen konnte. Und diejenigen, die Hanachirasu nicht gespielt haben… das war noch längst nicht alles! Wenn ihr wissen wollt, wie der Kampf zwischen Yoshia und Akane ausgeht, werdet ihr das Spiel schon selbst spielen müssen :D.
Tja, alle die noch nicht gegangen sind: Herzlichen Glückwunsch, wir sind am Ende angekommen! Ich hoffe euch hat meine Review gefallen und hiermit bedanke ich mich herzlich an JAST USA für den Review-Key und an unseren neuen GFXler Mahougao, der mir wundervolle Grafiken für die Review hier erstellt hat. Lest euch mal seine Review zur BottleBiosphere-Demo, durch wenn ihr Zeit habt!